Wipperau-Kurier

Interview mit Hollow Skai

„Punk eröffnete neue Möglichkeiten“


Labelgründer und Autor Hollow Skai spricht mit dem Wipperau-Kurier über die Anfänge des Punk und warum die Bewegung gerade in Hannover Fuß fasste.

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Hollow Skai (r.) und seine Mitherausgeber Klaus Abelmann und Detlef Max beschreiben in ihrem Buch die Anfänge des Punk in Hannover (siehe unten). – Foto: Romanus Fuhrmann


Wipperau-Kurier: Hollow Skai, Sie gehören zu den Herausgebern des Buchs „Wie der Punk nach Hannover kam“. Wie und wann kamen Sie mit Punk in Berührung?
Hollow Skai: 1976 brachte mir eine Freundin eine Single aus London mit – „God Save The Queen“ von den Sex Pistols. Im Jahr darauf brachten dann The Vibrators den Punk nach Hannover. Und dann gründeten sich auch schon in Hannover die ersten Punk-Bands.

Sie beschreiben Hannover in der Zeit Ende der 1970er-Jahre als eine der langweiligsten Städte Deutschlands. Weshalb traf Punk ausgerechnet in Hannover auf einen so fruchtbaren Boden?
Weil dort nichts los war. Man musste schon selbst etwas unternehmen, um etwas zu erleben und Spaß zu haben. Und Hannover hatte mit den unabhängigen Jugendzentren Kornstraße und Glocksee sowie dem Pavillon gleich drei Zentren, in denen die neuen Bands auftreten konnten.

Nicht nur in Hannover, auch auf dem niedersächsischen Land lebte der Punk! Worin liegt für Sie das Geheimnis des Punk, der damals viele junge Menschen in deutschen Städten wie auch Dörfern elektrisierte?
In seiner ungeheuren Wucht, die alle mitriss und aus der Lethargie befreite. Punk eröffnete neue Möglichkeiten, etwas zu tun.

Mit welchen Schwierigkeiten hatte der Punk anfänglich in Hannover zu kämpfen? Gab es einen Unterschied zwischen Punk in Berlin, Hamburg oder Niedersachsen?
Die damalige Muckerszene blickte anfangs sehr hochnäsig auf die Punk-Bands herab: Die können ja gar nicht richtig spielen. Im Gegensatz zur niedersächsischen Provinz verfügte Hannover aber über eine gewisse Infrastruktur, die in der Generation davor entstanden war, als die Scorpions, Jane und Eloy zu den erfolgreichsten deutschen Rock-Bands zählten. Die großen Plattenfirmen saßen jedoch alle in Hamburg, in Hannover musste man schon selbst ein Label gründen – was wir ja dann auch mit No Fun ‧Records getan haben.

Und heute? Was hat der Punk hinterlassen und hat er in Hannover und Niedersachsen etwas verändert?
In der Folge sind zahlreiche Clubs und Konzertstätten entstanden, in denen Bands wie Die Ärzte, Die Toten Hosen, Green Day oder Wir sind Helden ihre ersten Auftritte in Hannover hatten. Allgemein hat Punk das Do-it-yourself-Prinzip in den Köpfen fest verankert: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner.

Hollow Skai, vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte
Christian Wiechel-Kramüller.

Hollow Skai gründete 1978 das Fanzine No Fun und zwei Jahre später das Indie-Label No Fun Records. In den 1980ern war er Chefredakteur des hannoverschen Stadtmagazins Schädelspalter und anschließend Kulturredakteur beim Stern. In den vergangenen Jahren verfasste er zahlreiche Bücher über Punk, die Neue Deutsche Welle, Lust & Sound in Berlin 1979–1989, Die Toten Hosen, Die Ärzte, Rio Reiser oder Nirvana. Er lebt heute in L.A. (Lehrte-Arpke).


Buchtipp

Bild "coverpunk.JPG"Wie der Punk nach Hannover kam

Vorsicht! In diesem Buch ist von Sex, Drogen, Punk, Gewalt und dem Leben an sich die Rede. Es enthält schlechte Nachrichten und könnte Jugenderinnerungen wecken. Lassen Sie es nicht offen herum‧liegen und sorgen Sie dafür, dass es nicht in Kinderhände gerät.
Klaus Abelmann, Detlef Max und Hollow Skai beschreiben ihr umfangreiches Werk über die Anfänge des Punks in Deutschland so:    
„Es ist schwierig, heute jemandem, der damals nicht dabei war, die Faszination der damals noch neuen und offenen Bewegung zu beschreiben (und ein wenig klingt es sicher auch, als würde Opa vom Krieg erzählen …). Alles war möglich. Oder schien zumindest so. Konventionen wurden gebrochen. Einerseits war es ein Aufräumen mit dem Nachkriegsmief der Elterngeneration, und musikalisch wurde der verquasten Schwurbelmusik der mittleren 1970er der Stinkefinger gezeigt.“

Umfang: 256 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
Erschienen: 25. April 2023    
ISBN: 978–3–949452–84–0
Verlag: Hirnkost
Preis: 30 Euro