Wipperau-Kurier

Charles Keegan – Weltmeister im Pflügen 1964

Friede bestelle das Land


1964, in einer Zeit politischer Spannungen und globaler Unruhe, fand in einem kleinen österreichischen Dorf ein Wettbewerb statt, der unter dem Zeichen des Friedens stand: die Weltmeisterschaft im Pflügen. Der Ort war Fuchsenbigl, eine ländliche ‧Gemeinde nördlich von Wien, und das Motto lautete: Pax arva colat – Friede bestelle das Land. Pflüger aus 21 Nationen maßen hier in freundschaftlicher Konkurrenz ihre Fähigkeiten.
Ein Mann, der bei diesem Ereignis Geschichte schrieb, war der Ire Charles Keegan.


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1964 wurde Charles Keegan Weltmeister im Pflügen. In seiner irischen Heimat wurde der junge Farmer gefeiert wie ein Nationalheld.


Im September 1964 muss das österreichische 300-Seelen-Dörfchen Fuchsenbigl aus allen Nähten geplatzt sein, denn die World Ploughing Organisation (WPO) hatte den Ort zum Austragungsort der zwölften Weltmeisterschaften im Pflügen erwählt. Für die rund 100.000 Zuschauer wurde ein Flugplatz eingerichtet, eine riesige Zeltstadt angelegt, dazu kamen Stellplätze für etwa 40.000 Fahrzeuge. Die besten Pflüger ihrer jeweiligen Länder wollten sich hier in ihrer Kunst messen.
Charles (Charly) Keegan, geboren am 26. Mai 1926, war einer von ihnen. Und er gewann diese Weltmeisterschaft – nicht nur für sich selbst, sondern auch für sein Land. Er war der erste Weltmeister der Republik Irland und wurde nach seiner Rückkehr als Nationalheld gefeiert. Mit seinem Deutz D40L und einem Kverneland-Pflug pflügte er sich in die Herzen der Menschen und auf das Siegertreppchen. Der irische Präsident sandte ihm ein Glückwunschtelegramm, bei seiner Heimkehr fuhr er mit seinem Deutz durch Dublin, vorbei an der jubelnden Bevölkerung, und in seinem Dorf wurde er auf Schultern durch die Straßen getragen – ein Triumphzug.

Die Keegans und Deutz: eine Familiengeschichte
Keegans Sieg auf der Weltbühne wäre ohne seinen treuen Begleiter, den Deutz D40L, kaum vorstellbar gewesen. Dieser Traktor, mit einem luftgekühlten Motor des Typs F3L 712 ausgerüstet, gehörte zu jener Zeit zu den technisch besten Schleppern am Markt: Er war das Werkzeug, mit dem Keegan die Jury überzeugte. Seine Pfluglinien waren präzise, die Furchentiefe und das Gesamtbild des Ackers nahezu perfekt.
Charles Keegans Enkel Michael berichtete dem Wipperau-Kurier im Gespräch, sein Großvater, ein bescheidener und bodenständiger Mann, sei ebenso stolz auf seinen Sieg wie auf seinen zuverlässigen Schlepper gewesen.
Stolz auf den Welterfolg war auch Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD). Das Unternehmen machte der Familie von Charles Keegan zum Dank ein besonders Geschenk: Die Deutz-Vertretung in Irland überreichte seinem zehnjährigen Sohn Alan einen nagelneuen Deutz D15 – Alan war damit wahrscheinlich der jüngste Traktorbesitzer Irlands.
Doch das Leben der Familie Keegan war nicht nur von Glück und Erfolg geprägt. Alan, der den Deutz D15 stolz entgegennahm, starb, keine 45 Jahre alt, im Jahr 1999, und sein Bruder Stewart war schon im Alter von 17 Jahren tödlich bei einem Motorradunfall verunglückt. Diese Verluste prägten die Familie.

Der Deutz lebt weiter – dank Enkel Michael
Charles Keegan verkaufte seinen Traktor Mitte der 1980er-Jahre an einen Landwirt im Nachbarort. Der einstige Siegerschlepper geriet in Vergessenheit. Bis Michael Keegan, der Enkel von Charles, sich entschloss, das Erbe seines Großvaters und die Erinnerung an die Weltmeisterschaft lebendig zu halten. 50 Jahre nach dem historischen Sieg wollte Michael den Traktor restaurieren – eine Aufgabe, die sich als weitaus schwieriger erwies als ursprünglich gedacht. Der neue Besitzer wollte den Deutz zunächst nicht hergeben. Doch Michael blieb hartnäckig, bot einen anderen Traktor als Tausch an und konnte schließlich im Mai 2014 mit der aufwendigen Restaurierung beginnen. Aufwendig, denn der Zustand des Deutz war miserabel. Vier Monate und rund 2000 Arbeitsstunden später erstrahlte der Deutz D40L wieder in altem Glanz – ein wahres Meisterwerk!
Heute ist der restaurierte Deutz nicht nur ein technisches Denkmal, sondern auch ein Symbol für die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Er steht bestens gepflegt auf dem Hof der Familie Keegan in Enniskerry, etwa 20 Kilometer südlich von Dublin. Der Hof ist seit rund 300 Jahren im Besitz der Familie.

Ein Motto für die Ewigkeit
Die Weltmeisterschaft im Pflügen 1964 stand nicht nur im Zeichen des Wettbewerbs, sondern auch der Freundschaft und des Friedens. Das Motto „Pax arva colat – Friede bestelle das Land“ ist heute, in einer Zeit, die von Unsicherheiten geprägt ist, aktueller denn je. Auch wenn die politischen Spannungen damals und heute sich unterscheiden, bleibt die Botschaft dieselbe: Frieden ist die Grundlage jeder gedeihenden Gesellschaft – und auf den Feldern wird er symbolisch bestellt.
Charles Keegan verkörperte diesen Geist. Mit seiner Bescheidenheit, seiner Hingabe zur Landwirtschaft und seinem Siegeswillen brachte er nicht nur die Weltmeisterschaft nach Irland, sondern auch ein Gefühl der Hoffnung und des Zusammenhalts. Seine Geschichte lebt weiter – durch seinen Enkel Michael, den restaurierten Deutz und die Familie Keegan, die das Erbe bewahrt.
Der kleine Ort Fuchsenbigl mag heute ruhiger sein als in jener Septemberwoche 1964, als 21 Nationen zu Gast waren, doch das außergewöhnliche Ereignis bleibt bis heute unvergessen. So wie der Deutz D40L wieder in neuem Glanz erstrahlt, so soll auch das Motto der Pflügermeisterschaft weiterleuchten: Friede bestelle das Land.
cwk





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Gemeinsam bestaunt die Familie Keegan die Siegertrophäe. Scans: Familie Keegan


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Deutz schenkte dem Sohn des Weltmeisters einen Traktor. Alan wurde so mit zehn Jahren vermutlich der jüngste Traktorbesitzer Irlands.


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Enkel Michael Keegan restaurierte den Kverneland-Pflug und den Deutz D40L aufwendig.


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Heute erstrahlt der Weltmeister-Traktor D40L wieder in altem Glanz. Foto: Irish Vintage Scene Magazine/Andrew Pollock