Wipperau-Kurier

Wald als Klimaschützer – eine Illusion


In Zeiten des Klimawandels wird der Wald als unser wichtigster Verbündeter im Kampf gegen die Erderwärmung betrachtet. Doch die neue Bundeswaldinventur zeigt ein alarmierendes Bild: Deutschlands Wälder sind zu Kohlenstoffquellen geworden.

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Foto: Unsplash.de/Jesse Gardner


Der deutsche Wald, einst mächtiger Klimaschützer, ist am Kipppunkt. Neue Daten der Bundeswaldinventur, die Anfang Oktober 2024 veröffentlicht wurden, zeichnen ein düsteres Bild. Seit 2017 ist der heimische Wald keine Kohlenstoffsenke mehr, sondern im Gegenteil eine Quelle für Treibhausgase. Damit ist eine der tragenden Säulen des nationalen Klimaschutzes weggebrochen, und das zu einer Zeit, in der jeder CO2-Speicher dringend gebraucht wird.
Jahrelang galt der Wald als unsere grüne Lunge, doch diese Vorstellung erweist sich als trügerisch. Das Thünen-Institut, das alle zehn Jahre die Bundeswald‧inventur im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums durchführt, stellte fest: Deutschlands Wälder bauen nicht mehr ausreichend neue Biomasse auf, um Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden. Stattdessen sterben ganze Nadelwaldflächen ab, besonders Fichten und Kiefern, die durch Dürre, Stürme und den verheerenden Borkenkäferbefall in den vergangenen Jahren massiv geschwächt wurden. Die Folge: Ein Strom von CO2 entweicht zurück in die Atmosphäre – ein Trend, der sich ohne drastische Gegenmaßnahmen fortsetzen wird.
Marode Monokulturen
Verantwortlich für diese fatale Entwicklung sind nicht nur der Klimawandel selbst, sondern auch jahrzehntelange Fehlentscheidungen in der Forstwirtschaft. Der massive Anbau von Monokulturen, die besonders anfällig für Trockenheit und Schädlinge sind, rächt sich nun. Statt robuster Mischwälder haben wir ausgedehnte Fichtenplantagen, die dem Extremwetter nichts entgegensetzen können.
Die dramatischen Zahlen sprechen für sich: 1,2 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichern die deutschen Wälder – ein Wert, der sich seit der letzten Inventur vor zehn Jahren kaum verändert hat. Und das, obwohl die Bundesregierung fest auf den Wald als Klimaretter gesetzt hat. Bis 2030 sollen Wälder und Moore jährlich mindestens 25 Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, um die Klimabilanz zu stützen. Dieses Ziel rückt in unerreichbare Ferne.
Doch es kommt noch schlimmer: Experten warnen, dass die tatsächliche Lage noch katastrophaler ist, da die erhobenen Daten aus dem Jahr 2022 stammen. Seither hat sich das Waldsterben weiter beschleunigt, und jedes Mal, wenn abgestorbene Bäume aus den Wäldern geräumt werden, wird noch mehr Kohlenstoff freigesetzt. Die Folgen sind fatal: Anstatt der Natur Zeit zu geben, sich zu erholen, verschärfen wir die Krise mit jedem Einschlag aufs Neue.

Jetzt umdenken!
Die Antwort auf diese Misere? Ein Umdenken in der Waldbewirtschaftung, doch dieser Wandel erfolgt quälend langsam. Statt endlich auf klimastabile Laubwälder zu setzen, dominiert weiterhin der Anbau von Nadelbäumen. Fast 90 Prozent der Waldflächen unterliegen uneingeschränkter Nutzung – ein klarer Widerspruch zu den internationalen Naturschutzverpflichtungen, die Deutschland eigentlich erfüllen müsste.
Wenn wir den deutschen Wald nicht verlieren wollen, muss der Umbau hin zu artenreichen Mischwäldern schneller und entschlossener vorangetrieben werden. Der Erhalt alter Laubwälder, die als verlässliche CO2-Speicher fungieren, ist dabei entscheidend. Doch die Zeit drängt: Der Wald als Klimaschützer droht endgültig auszufallen. Was wir heute versäumen, lässt sich morgen nicht mehr reparieren.

dt