Wipperau-Kurier

Von Farben und Geschichten –der vielseitige Kosmos des Frank Schult


Zu Besuch bei einem der interessantesten Künstler in Deutschland: Frank Schults Werke ziehen den Zuschauer in ihren Bann und zwingen zum Innehalten. Ein faszinierendes Farbspiel in mehreren Bildebenen erzählt Geschichten und will entschlüsselt werden. Der unter anderem mit dem Deutschen Kunstpreis ausgezeichnete Künstler aus der Leipziger Schule lebt und ‧arbeitet in Celle. Geboren wurde er 1948 im thüringischen ‧Ilmenau.

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Künstler Frank Schult vor einer Auswahl seiner großformatigen Leinwände, die Zeugnis von seiner Leidenschaft für Farben und Formen ablegen.


In seinen Bildern spiegelt sich das pralle Leben – nicht verwunderlich, Frank Schult hat viel erlebt. Zur Kunst fand er durch eine Jugendliebe: Während der Schulzeit in der DDR war er heftig in ein Mädchen verliebt, das ihm jedoch kein Freundschaftsfoto geben wollte. Also zeichnete er sie heimlich und zeigte ihr das Bild. Von da an waren die beiden ein Paar. Und Schult hatte entdeckt, dass er sich durch Zeichnungen ausdrücken konnte. Auch sein Kunstlehrer erkannte Schults Talent und war beeindruckt. Wenn seine Leistungen aufgrund von Faulheit, wie er selbst erzählt, manchmal unzureichend waren, sagte der Lehrer oft: „Schult, du solltest Künstler werden, so schadest du weniger.“

Zum Greifen nah und fern wie der Mond
Die Schule spielte für ihn nur eine Nebenrolle. Viel spannender war es, mit dem ersten Moped übers Land zu düsen, Freunde zu treffen und eigene Filme zu drehen. „Die Abende waren nie lang genug“, erinnert sich Schult. Die unbeschwerte Zeit des Ausprobierens fand ein rasches Ende, als er und ein paar Freunde der Grenze zur BRD zu nahe kamen. „Wir wollten das Land hinter dem Eisernen Vorhang sehen“, so Schult. „Die Bundesrepublik erschien uns wie ein großes Geheimnis, das von den Vertretern der DDR erst richtig geschürt wurde. Auch die Fernsehsender des sogenannten Klassenfeinds machten diese unbekannte Welt für uns so interessant, die zum Greifen nah schien und zugleich so schwierig zu erreichen war wie der Mond.“
Die Anziehungskraft war zu groß. An einem Abend fuhren die sechs Jungs mit dem Zug Richtung Grenze. „Die restlichen gut 25 Kilometer liefen wir zu Fuß. Plötzlich erhellten Leuchtkugeln die Nacht, und Schäferhunde trieben die Gruppe auseinander. Es folgten stundenlange Verhöre und Untersuchungsgefängnis.“
Die Schüler hatten Glück, sie fielen noch unter das Jugendschutzgesetz; sonst hätten ihnen längere Haftstrafen gedroht. Einige Jahre später gab es in der DDR auch für Jugendliche keine Rücksicht mehr bei Fluchtversuchen. Einer der Freunde, der damals schon 18 Jahre alt war, musste für eineinhalb Jahre ins Gefängnis, während die restliche Gruppe, darunter Frank Schult, mit Bewährungsstrafen davonkam.

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Ein eindrucksvolles Beispiel für Schults unverwechselbaren Stil: Seine Werke laden dazu ein, die Geschichten dahinter zu entschlüsseln.


Kunst, Leben, Haltung
Nach den Erfahrungen im Kunstunterricht war es im Jahr 1966 Schults Begegnung mit dem Maler und Grafiker Hans Hattop aus Meiningen, der die Weichen in Richtung Kunst stellte. Er erkannte das junge Talent und schickte Schult an das Meininger Theater, um dort Bühnenbild zu studieren. Nach einigen Jahren des Suchens, Findens und freien Wirkens bewarb sich Schult im Frühjahr 1972 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig und wurde zur Aufnahmeprüfung zugelassen. Nur fünf von 400 Bewerbern bestanden die strenge Prozedur und Frank Schult war dabei! Es folgte bis 1977 eine intensive Studienzeit der Malerei bei Bernhard Heisig, Arno Rink und Hans Mayer-Foreyt. 1982 wurde er Meisterschüler bei Willi Sitte in Halle.
Nach drei Jahren beendete Schult auf eigenen Wunsch das Meisterschüler-Verhältnis, er hatte sich innerlich immer stärker von der DDR entfernt und engagierte sich mittlerweile in der Kirche. Eine Entwicklung, die zu dem hervorragenden, aber linientreuen Kunstprofessor Sitte nicht mehr recht passen wollte. 1985 stellten Frank Schult und seine Frau Angela einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik, der Ende 1988 genehmigt wurde. Eine schwierige Phase, die dem Ehepaar Haltung abverlangte. Aber Schult fasste als Künstler auch im Westen Fuß – mit Gastprofessuren und mit zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland.

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Ein Blick in Frank Schults Atelier zeigt den kreativen Raum, in dem die vielschichtigen Werke entstehen.


Wild und wahrhaftig
Schults Werk ist vielseitig und anspruchsvoll. Wer sich einlässt auf die häufig großformatigen Bilder, deren Pinselführung und Farbe auf den ersten Blick verwirren können, wird in eine Bildwelt hineingezogen voller Figuren und Gestalten, die viel Tiefe enthält und Geschichten vom Leben erzählt. Einem Leben, das stets Rückgrat forderte. „Ich kann meine Bilder deshalb nicht anders malen, wie sie sind“, erläutert Schult und ergänzt: „Es geht in der Kunst eben nicht um Rang und Status, arm oder reich. Es kommt auf das Gelebte an!“ Auf das Gelebte – und die Kraft und das Können, etwas daraus zu erschaffen. Dann ist es Kunst.
cwk